Kendo ist eine klassische japanische Kampfsportart und lässt sich ungefähr mit „Schwert-Weg“ übersetzen. Die Silbe „Ken“ steht dabei für Schwert, während die Silbe „Do“ sich als „Lebensweg“ interpretieren lässt. Kendo steht damit zugleich für eine physische, aber auch psychische Schulung.

Zum Zeitpunkt seines Entstehens war „Kendo“ im historischen Japan lediglich eine Zusammensetzung verschiedener Schwert-Kampftechniken. Das Alltagstraining, in dem die Techniken angeeignet und verfeinert wurden, diente zur Vorbereitung auf den Ernstfall. Auf dem Schlachtfeld konnten sie unter Einsatz des eigenen Lebens auf ihre Effektivität erprobt werden.

Die Wurzeln der Verherrlichung des Schwertes (Ken) als „höheres Symbol“ liegen in der Kamakura-Periode (Kamakura war im Jahr 1192 das Hauptquartier des Shogun Yoritomi). Sieben Jahrhunderte lang wurde das Schwert zur „Seele Japans“.
Im Jahr 1603 endeten ziemlich rasch alle Kriege, die Wehrmächte lösten sich auf, die Kaste der Samurai schrumpfte, besaß keine Macht und im Frieden keine Aufgabe mehr. Dennoch erfuhren ihr Ehrencodex wie auch die Fechtschulen in den nächsten hundert Jahren eine enorme Entwicklung. In der Zeit von 1700 bis 1877 wurden in den Fechtschulen neue Techniken entwickelt, ebenso neue Schutzvorrichtungen für den Körper und eine neue Waffe, das „Shinai“. Das Shinai bestand damals aus einem einzelnen, ganz von Leder umhüllten Bambusrohr. Einige Fechtschulen verweigerten sich dieser Entwicklung und beharrten auf Katana (eisernes Schwert) und Bokuto (hölzernes Schwert) für Übungen ohne Körperkontakt.

Im Jahr 1868 verschwanden die Shogunate, es begann mit Kaiser Mutsuhito die Meiji-Periode (1868-1912). Die Samurai-Kaste verlor weiter stark an Macht und Prestige, die Fechtschulen wurden geschlossen, 1876 verbat ein Gesetz den Samurai das Tragen ihrer Schwerter. Eine letzte Revolte der Samurai 1877 wurde schnell und rigoros zum Ersticken gebracht.
Der wichtigste Grund, warum es den „Bushi“ (= Samurai) gelang, unbehelligt das ganze Land zu verwalten, liegt in deren fast andächtigen Ergebenheit gegenüber dem Tod. In ihrem Ehrenkodex, aber auch tagtäglich, opferten sich die Bushi in großer Zahl, jedes Mal wenn die Interessen der Gemeinschaft dies verlangten oder die Stabilität des Systems oder eine Verletzung der Regeln dies für notwendig erscheinen ließ. Was der Bushi in den Grenzsituationen auf dem Schlachtfeld erkannte, war die Ehrfurcht vor dem Leben. In der ständigen Ungewissheit, heute das Leben des Gegners, morgen vielleicht das eigene Leben auszulöschen, entwickelte der siegreiche Kämpfer eine ganz bestimmte Lebensanschauung, eine fast religiöse Art, seine Aufgaben aufzufassen, auf der fünf Jahrhunderte später „Kendo“ basieren wird.

Es begann die dritte Periode der Symbiose zwischen Schwert und japanischer Geschichte: Engagierte Lehrer der Schwertschulen organisierten Vorführungen, weckten die Neugier der Leute, man konnte nun einst geheime Aspekte der alten Kaste erfahren, die früher immer im Verborgenen blieben. Den „neuen“ Samurai gelang es, in Schlüsselrollen von Polizei, Militär, Schulen und in der Industrie die Ideen ihrer Lehrer aufrechtzuerhalten und in der Form des Kendo zu etablieren. Am Ende der Meiji-Periode wurde der Schwertkampf erstmals ofiziell „Kendo“ benannt, vorher waren Benennungen wie „Ken-Jutsu“ oder „Gek-Ken“ gebräuchlich. 1911 wurde Kendo offiziell als Schulsport in Japan eingeführt.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde Kendo in Japan durch die Alliierten verboten. 1951 fiel dieses Verbot, 1952 gründete sich die „All Japan Kendo Federation“.

Eine tolle kurze Zusammenfassung findet sich (auf Englisch) auch in diesem Video von Alex Bennett, 7. Dan aus Neuseeland und Professor in Osaka:

Das Ziel der Kendoka heute ist, die eigene Seele durch Disziplin und durch Kampfregeln zu erziehen und nicht, die Kampfregeln und das Schwert als Mittel zu benutzen, den Gegner zu besiegen oder gar zu vernichten. Kendo dient zur physischen und psychischen Schulung. Der Ehrgeiz, den man in das erlernen der Techniken investiert, orientiert sich zwar an erster Stelle am Sieg; parallel dazu wird jedoch dessen Sinn vielschichtig ergründet und reflektiert.

Während in den westlichen Sportarten der Sieg „von außen“ bestimmt wird, kommt beim Kendo der Sieg aus dem Inneren der Kämpfer*innen. Alleine den Gegner zu „treffen“ ist nicht ausreichend. Wenn dieser Schlag nicht von der Überzeugung des Kendoka getragen war, nicht nach außen manifestiert wird durch „Kiai“ und „Zan Shin“, durch das Schreien und körperlichen Ausdruck, also nur „zufällig“ erfolgte, ist dieser Treffer bedeutungslos. Bei einem Wettkampf würde er nicht gewertet. Kendo heute ist Sport, aber letztlich nicht nur das.

Überhaupt wird versucht, eben diesen geistigen Hintergrund des Kendo stets im Auge zu behalten. Dies gelingt zum einen durch den oft engen Kontakt vieler deutschen Vereine zu japanischen Kendo-Lehrer*innen (sensei). Zum anderen wird dies auch dadurch erreicht, dass die „All Japan Kendo Federation“ jedes Jahr für ca. 6 Monate eine*n hochgraduierte*n japanischen Kendo-Lehrer*in als Bundestrainer*in nach Deutschland beordert, die abwechselnd verschiedene Vereine trainieren und durch die Abhaltung von Bundeslehrgängen es auch anderen Vereinen ermöglicht, von ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten zu lernen.

Neben dem „eigentlichen“ Kendo wird die „Nihon-Kendo-Kata“ praktiziert. Hierbei handelt es sich um 10 Kata-Formen, die fest vorgegeben sind und ohne Rüstung, aber mit dem Bokuto (Holzschwert) ausgeübt werden. Die Schläge mit dem Schwert werden hierbei nur angedeutet, das heißt wenige Zentimeter vor dem Körper des Gegners gestoppt.

Kendo wird von Personen jeglichen Alters und Geschlechts ausgeübt. Da Kendo in Deutschland – anders als in Japan – kein Schulsport ist, ist es bei uns schwer, Kindern und Jugendlichen Kendo näher zu bringen. Nicht zuletzt liegt dies aber wohl auch an dem geistigen Hintergrund, der „westlichen“ Kindern kaum vermittelt werden kann. Dies ist sicherlich auch der Grund, dass gerade beim Kendo der Altersdurchschnitt relativ hoch ist. Dafür hat aber Kendo auch den Vorteil, dass man das „altersbedingte“ Nachlassen von Schnelligkeit und Kondition mit Erfahrung und dem „Sehen“ der Absichten des Gegners ausgleichen kann. Dies wird einem immer wieder frappierend bewusst, wenn man Kämpfe hochgraduierter japanischer Lehrer*innen selbst im Alter von 70 Jahren und mehr ansieht, die ihre jugendlichen Gegner ganz schön „alt“ aussehen lassen.